April 2023

Graue Tonne, grüne Arroganz

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag
Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag

Die Tübinger Müllabfuhr muss in öffentlicher Hand bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Landkreis bei der Entsorgung hat sich bewährt. Wohin Privatisierung führt, sieht man an der zunehmenden Vermüllung der Gehwege mit nicht abgeholten gelben Säcken. Dafür sind im Dualen System private Anbieter verantwortlich, nicht der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises. Nach dem Willen der Grün geführten Stadtverwaltung wird die öffentlich-rechtliche Müllvereinbarung mit dem Landkreis zum 30. Juni gekündigt, aus „wirtschaftlichen Gründen“, wie es in der Vorlage heißt. Die Entscheidung soll im Mai fallen. Was die Stadtverwaltung plant, bedeutet Fremdvergabe und eine weitere Zerschlagung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dafür werden Selbstverständlichkeiten angeführt: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden älter und seien zuweilen krank; neue Investitionen in den veralteten Fuhrpark und die verrotteten Gebäude wären notwendig und, man lese und staune: in einer wachsenden Stadt bräuchte man zukünftig mehr Mülltonnen als bisher! Die arbeitnehmerfeindlichen Begründungen gehören eher in ein Schwarzbuch der Internationalen Arbeitsorganisation als in die Rathausvorlage einer mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Universitätsstadt.
Die Erfahrung lautet: mit Privaten wird die Abfallentsorgung auf Dauer teurer. Die Leute werden schlechter bezahlt. Und wenn der Gewinn nicht mehr stimmt, wird der Geschäftszweig durch die Unternehmen wieder eingestellt. Mangels Verlässlichkeit gab es an manchen Orten Rekommunalisierungen. Schon einmal, im Jahr 2010, wurde die Privatisierung der Müllabfuhr in Tübingen verhindert. Wir wenden uns auch jetzt dagegen, dass die zukünftigen Beschäftigten ihre harte Arbeit unter schlechteren Arbeitsbedingungen verrichten müssen. Keine Tarifflucht! Die Pläne der Stadtverwaltung sehen wir als Angriff auf den Flächentarifvertrag der Kommunen.
Auch bei Finanzierungsfragen zur Regionalstadtbahn Neckar-Alb sollte die Tübinger Rathausspitze langsam wieder herabsteigen vom hohen Ross der medialen Arroganz gegenüber den anderen Kreisgemeinden und den Fortgang des Gesamtprojektes nicht weiter gefährden. Tübingen profitiert mit elf Haltepunkten und mit einem Berufsverkehr, der sehr viel Gewerbesteuer in die Stadtkasse spült, am edelsten von den Zuschüssen zu diesem wichtigsten Verkehrsprojekt in der Region.

Müllabfuhr muss in öffentlicher Hand bleiben

Pressemitteilung vom 21. April 2023

DIE LINKE Tübingen wendet sich gegen die drohende Privatisierung der Müllabfuhr. Nach Vorschlag der Stadtverwaltung Tübingen soll die öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem Landkreis zur Müllentsorgung zum 30. Juni diesen Jahres gekündigt werden, aus „wirtschaftlichen Gründen“, wie es in der Vorlage heißt. Die Entscheidung soll schon im Mai fallen.

Bernhard Strasdeit, Linke-Kreisrat und Mitglied des Kreisvorstands
Bernhard Strasdeit, Linke-Kreisrat und Mitglied des Kreisvorstands

Bernhard Strasdeit vom Kreisvorstand kommentiert: „Was die Stadtverwaltung plant, ist die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die genannte Begründung sind verschiedene Selbstverständlichkeiten: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden älter und seien zuweilen krank; neue Investitionen in Fuhrpark und Gebäude seien notwendig und, man staune, in einer wachsenden Stadt bräuchte man zukünftig mehr Mülltonnen als bisher! Insbesondere das Alter der Beschäftigten ist eine absurde Nennung in Anbetracht der gesetzlichen Regelung zum Rentenalter.“

Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands
Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands

Margrit Paal vom Kreisvorstand kritisiert: „Die Erfahrung in vielen Städten lautet: mit Privaten wird die Abfallentsorgung meistens teurer, und wenn der Gewinn nicht mehr stimmt, wird der Geschäftszweig durch die Unternehmen auch gerne mal kurzfristig eingestellt. Mangels Verlässlichkeit und Kostensteigerungen gab es auch immer wieder Rekommunalisierungen. Schon einmal, im Jahr 2010, wurde die Privatisierung der Müllabfuhr in Tübingen verhindert. Wir wenden uns auch jetzt dagegen, dass die Kolleginnen und Kollegen der Müllabfuhr zukünftig ihre harte Arbeit unter schlechteren Arbeitsbedingungen verrichten müssen. Die Pläne der Stadtverwaltung sind ein Angriff auf den Flächentarifvertrag der Kommunen.“

Soziale Erfolge

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat und TüL-Vorstand
Frederico Elwing, Linke-Stadtrat und TüL-Vorstand

Die Verkehrswende zur Erreichung unserer Klimaziele sozial gerecht voranzutreiben war für uns als Linke das zentrale Thema bei den Haushaltsverhandlungen. Deshalb wollten wir, dass das Deutschlandticket auf 9 Euro rabattiert wird. Studien belegen, dass das Deutschlandticket 29 Euro oder weniger kosten sollte, um möglichst viele Menschen zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn zu bewegen. Leider fand sich keine Mehrheit dafür im Gemeinderat, da AL/Grüne, CDU, Tübinger Liste und FDP es verhindert haben. Als Kompromiss wurden 34 Euro beschlossen.

Unser größter sozialer Erfolg ist, dass, wer die Kreisbonuscard hat, in Zukunft für 15 Euro das Deutschlandticket bekommt. Mobilität bedeutet soziale Teilhabe, gerade für Menschen mit wenig Geld. Städtische Beschäftigte können mit Jobticket für 14 Euro deutschlandweit fahren. Leider keinen Fortschritt gab es, was die Schüler:innen angeht. Dabei sollte die Fahrt zur Schule kostenfrei sein. Auf unseren Vorschlag hin bekommen unbeleuchtete Radwege weiße Randstreifen, und 100.000 Euro für eine unnötige „Schilderbrücke“ am Schloßbergtunnel werden eingespart.

Für Jugendliche konnten wir erreichen: im Jugendhaus Bricks eine halbe Stelle mehr und im Jugendhaus Lustnau eine Viertelstelle mehr, die Mobile Jugendarbeit wird stärker gefördert und und die Schulsozialarbeit in den Teilorten aufgestockt. Der LernOrt Berghof bekommt einen höheren Zuschuss.

Im Bereich der Kultur wurde eine dauerhafte Erhöhung des Regelzuschusses für das Zimmertheater beschlossen. Im Bereich Migration war uns wichtig, einen Zuschuss für das Projekt „Plan B“ des Vereins „move on“ zu sichern, der wichtige Beratungsarbeit leistet, die die Stadt nicht leisten kann.

Was die Steuern angeht, sehen wir nach wie vor eine Schieflage: nirgends in Baden-Württemberg ist die Grundsteuer B so hoch wie in Tübingen, die Mieter:innen über die Nebenkosten zahlen müssen, während die Gewerbesteuer, eine Gewinnsteuer, niedriger ist als in Reutlingen, Kusterdingen, Freiburg oder Heidelberg.

Kommunale Wohnungspolitik muss bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten. Durch neue Landesmittel wird Wohnungsbau durch die Kommune gefördert. Dafür und für die GWG haben wir drei Millionen Euro beantragt und dies auch erreicht.

Wie Sie sehen, konnten wir einige für uns Linke zentrale soziale Erfolge durchsetzen und haben deshalb dem Haushalt zugestimmt.

Reicht nicht

Leserbrief unseres Kreisrats Andreas Linder am Donnerstag, 6. April 2023 im Schwäbischen Tagblatt

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Mit einer starken Kundgebung haben sich die Betroffenen und viele Organisationen vom neuerlichen Facebook-Rassismus des OB Palmer nach dem Tötungsdelikt an Basiru Jallow distanziert. Und es gab es auch klare Positionierungen der Mehrheit des Gemeinderats und auch redaktionell im TAGBLATT.

Ja, richtig, Palmer ist ein Wiederholungstäter. Das hätte die Stadtgesellschaft aber auch schon vor der Wahl wissen können. Aber damals war Wegschauen angesagt. Gerade mal knapp 400 Leute machten mit ihrer Unterschrift öffentlich, dass sie Palmer wegen seinen rassistischen Eskapaden und seinen kruden Positionen zur Flüchtlingspolitik für nicht wählbar halten.

Es ist nicht das Problem, dass Palmer Probleme anspricht. Das Problem ist, wie er das macht und mit welchen Inhalten. Er glaubt offenbar, dass er damit verhindere, dass die Menschen „zur AfD gehen“. Durch seine Macht als grüner Medienstar ist er aber längst zum Sprachrohr der Rechten geworden und fällt seiner eigenen Partei in den Rücken. Bezüglich Jallow hat er sich nachträglich entschuldigt. Das reicht aber nicht. Er sollte jetzt genügend Anstand haben, um die Reißleine zu ziehen. Und sofort die Termine bei Lanz und Co. aus dem Kalender streichen!

Mitschnitt: Ein Knoten für Clara Zetkin?

Die Diskussion über die Empfehlung der «Kommission zur Überprüfung der Tübinger Straßennamen» vom Dienstag, 14. März 2023 im Technischen Rathaus steht mittlerweile als Audio-Mitschnitt zum Download (407 MB flac) zur Verfügung. Vielen herzlichen Dank an Thomas Demmel von der Wüsten Welle für die Arbeit!

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