Juli 2022

Gemeinwohlorientierung statt Goldgräberstimmung bei der Förderung von Biotechnologie!

DIE LINKE in der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Neckar-Alb
Beate Ehrmann und Bernhard Strasdeit,  26.7.2022
Pressemitteilung

In der heutigen Verbandsversammlung des Regionalverbandes Neckar-Alb stimmten Beate Ehrmann und Bernhard Strasdeit gegen die Erhöhung der institutionellen Förderung an BioRegio STERN Management GmbH.

Zur Begründung:
Diese Förderung an BioRegioStern – und darüber hinaus die gesamte industriepolitische Förderung von Bund und Land in diesem Bereich – ist nicht gebunden an Kriterien der Gemeinwohlorientierung. Die in der Vorlage benannten 230 Firmen der Biotechnologoie und Medizintechnik, die in den letzten Jahren mit mehr als 550 Millionen Euro nicht rückzahlbaren Fördergeldern allein vom Bund ausgestattet wurden, haben Riesengewinne eingefahren.  Nirgends steht, ob sich die geförderten Unternehmen an Tarifverträge halten müssen. Nirgends steht, ob sie sich an sozialen und ökologischen Standards orientieren müssen. Und nirgends steht, ob die Forschungsergebnisse, die mit staatlicher Hilfe zustande kommen, dann auch zwingend der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

In der Vorlage ist von 76 Unternehmensgründungen mit Hilfe von BioRegioStern die Rede. Das sind oft Startups, die sich mit hohen Gewinnerwartungen aus Bereichen der staatlichen Hochschulforschung heraus gründen und bis zu 100 % von staatlichen Fördergeldern leben. Da sollte man den Akteuren schon genauer auf die Finger schauen dürfen, wem die Forschungsergebnisse und die Produkte tatsächlich am Ende nützen.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Wir Linke halten moderne Medizintechnik und Biotechnologie für lebensnotwendig und befürworten gezielte staatliche Förderungen in diesem Bereich. Aber allein die derzeitige Schlammschlacht um mRNA-Impfstoffe zwischen CureVac und BioNTech, die derzeit vor Gerichten in Deutschland und USA ausgetragen wird, lassen die Alarmglocken schlagen. Beide Firmen  sind ausgestattet mit staatlichen Fördergeldern. Jetzt streiten sie sich um die Aufteilung des Reibachs.

In der Anlage 1 zur Vorlage steht, es gehe BioRegio STERN um die Zukunft der „Gesundheitswirtschaft“. Und es gehe darum, die „Life-Siences-Unternehmen“ mit den Gesundheitsdienstleistern zu verknüpfen und „mit dem Markenkern Biotechnologie die Weltkonjunktur über die nächsten Jahrzehnte zu tragen“. Diese Feststellung zeugt von Goldgräberstimmung und ist überzogen. Da bildet sich eine Riesenblase, die – wie das Handelsblatt schreibt – „jede Möglichkeit ausschöpft, um an frisches Geld zu kommen“.

Wir plädieren stattdessen dafür, das gesamte Gesundheitswesen samt Forschung weiter als Teil der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge zu erhalten und zu fördern, alle Krankenhäuser in der Region mit ausreichend Personal auszustatten und die staatliche Förderung an Unternehmen der Biotechnologie und Medizintechnik mit klaren gemeinwohlorientierten Auflagen zu versehen, zum Beispiel, was die Freigabe von Patenten angeht. Die Vergabe öffentlicher Gelder muss einen gesellschaftlichen Nutzen ergeben und nicht nur einen für Aktionäre.

Preis für Schüler:innentickets senken

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat
Frederico Elwing, Stadtrat

Wir finden es gut, dass ein landesweites Jugendticket eingeführt wird. Was wir nicht gut finden ist, dass Schüler:innen bzw. deren Eltern weiterhin 22 Euro pro Monat zahlen sollen. Schüler:innenbeförderung ist eine öffentliche Aufgabe, die wie in anderen Ländern auch öffentlich finanziert sein sollte. Der richtige Preis für Schüler:innentickets müsste also unseres Erachtens bei NULL Euro liegen.

Bereits bei der Diskussion um die Einführung des städtischen 365€-Tickets für Erwachsene ging es auch darum, dass eigentlich in diesem Zuge auch die Preise für Schüler:innentickets gesenkt werden müssten.

Was die Verwaltung jetzt vorschlägt ist: für Erwachsene senken wir den Preis für das Jahresticket von 495€ um 25% auf 365€. Für Schüler:innen bzw. eigentlich ja in der Regel deren Eltern senken wir die Ticketpreise NICHT, weil wir ihren Zuschuss pro Ticket um 2,30 Euro senken?

Für Erwachsene nehmen wir viel Geld in die Hand um die Ticketpreise zu senken, warum bei jungen Menschen 40.000€ einsparen?

Die Einführung des landesweiten Jugendtickets ist die Chance, die Schüler:innentickets um 2,30 Euro zu senken ohne auch nur einen Cent pro Ticket zusätzlich drauf legen zu müssen.

Die Klimakrise ist gerade akut sichtbar und es darf für den ÖPNV nur eine Richtung geben: Vorwärts zu attraktiven Verbindungen und Richtung Ticketfreiheit. Der Schritt nach vorne, den die Landesregierung mit dem Jugendticket geht, darf nicht durch einen Rückschritt durch Zuschusskürzung der Stadt wieder aufgehoben werden. Ein landesweit gültiges Ticket für junge Leute, das unter 20 Euro im Monat kostet, wäre möglich. Eine Entlastung für Familien, ein Beitrag zur Teilhabe und ein Beitrag zur klimagerechten Mobilität. Wir können es tun, indem wir einfach darauf verzichten, den städtischen Zuschuss zu kürzen!

Absurdität des freien Marktes

Pressemitteilung
Absurdität des freien Marktes – Curevac verklagt Biontech
Tübinger Linke fordert Gemeinwohlbindung von Fördergeldern

Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac hat laut Presseberichten Klage wegen Patentrechtsverletzungen gegen den Mainzer Impfstoffhersteller Biontech eingereicht. Dessen Erfolg bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19 basiere „auf jahrzehntelanger wissenschaftlicher Forschung und Innovation“ und damit auch Erfindungen, die auf Curevac zurückgingen und auf die das Unternehmen Patente angemeldet habe.

Gerlinde Strasdeit
Gerlinde Strasdeit

„Natürlich ist die rasche Entwicklung von mRNA-Impfstoffen auf jahrzehntelange Forschung zurückzuführen“, so Stadträtin Gerlinde Strasdeit von der Tübinger Linken im Gemeinderat. „Allerdings durch Forschung, die erheblich mit öffentlichen Geldern oder an staatlichen Hochschulen stattgefunden hat.“

„Dies verweist auch auf generelle Problematiken des Patenrechtes und der Forschungspraxis in Deutschland,“ pflichtet die Linke-Stadträtin Gitta Rosenkranz bei. „Denn natürlich ist es sinnvoll, wenn Verbesserungen der Gesundheitsversorgung auch durch private Unternehmen staatlich gefördert werden. Problematisch ist es aber dann, wenn diese öffentlich geförderte Forschung durch Bestimmungen bspw. des Patenrechtes nicht auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Im Fall von Corona hätten die Patente der Impfstoffe unbedingt freigegeben werden müssen, nicht nur wegen der öffentlichen Förderung, sondern weil dies der verantwortungsvolle und effektive Umgang mit einer Pandemie gewesen wäre.“

Gerlinde Strasdeit ergänzt: „Letztlich bestärken uns diese Vorgänge in unserer Kritik, dass ein so massiv öffentlich finanziertes Unternehmen wie Curevac gar nicht hätte an die Börse gehen dürfen, denn die jetzige Posse speist sich aus falschen Vorgaben. Jede Möglichkeit wird ausgeschöpft, um an frisches Geld zu kommen, wie es das Handelsblatt schreibt. Zur Bekämpfung von COVID-19 trägt das nichts bei.“

Gitta Rosenkranz
Gitta Rosenkranz

Gitta Rosenkranz dazu: „Obwohl viele Länder und selbst die WHO eine Impfpatenfreigabe gefordert haben, sperrten sich die damalige Bundesregierung und EU-Kommission voll dagegen. Curevac hätte aber auch aus eigener Verantwortung selbst tätig werden können, ein Unternehmen, das es nur dank der massiven öffentlichen Finanzierung und politischen Unterstützung überhaupt noch gibt. Der von zwei Texanern entwickelte Impfstoff Corbevax ist als Open-Source-Impfstoff freigegeben. Natürlich geht das nur bei Unternehmen, die nicht an der Börse sind, denn dort wird Profitmaximierung zur Handlungspflicht.“

Gerlinde Strasdeit fordert: „Genau deswegen sind wir dafür – sowohl national aber auch kommunal hier in Tübingen – Förderung durch öffentliche Mittel an strengere Vorgaben zu knüpfen. Staatliche und kommunale Zuschüsse sollen nur solche Unternehmen erhalten, die Gemeinwohl-Verpflichtungen eingehen. Öffentliche Gelder müssen einen gesellschaftlichen Nutzen ergeben statt einen für die Aktionäre. Das hätte man gegenüber Curevac auch problemlos durchsetzen können, denn ohne das dort investierte Steuergeld, wäre das Unternehmen schon lange weg vom Fenster.“

Linke-Fraktion im Tübinger Gemeinderat

Viel Medienwirbel

Leserbrief unserer Linke-Stadträtin Gerlinde Strasdeit zur Verpackungssteuer
(am 02.07.2022 im Schwäbischen Tagblatt)

Gerlinde Strasdeit
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Die nächtlichen Müllberge müssen weg. Besser als die Verpackungssteuer wäre ein Mehrweg- und Pfandsystem. Da ist das grüne Umweltministerium im Verzug.
Warum demonstrieren die Kolleginnen von Fridays for Future dort nicht? Bei uns Linken ist strittig, ob die Tübinger Insellösung ein treffsicheres Mittel ist.
Wir alle wollen den ausufernden Plastikmüll reduzieren. Aber die Palmersteuer ist rechtlich gescheitert.
Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wird langwierig, teuer und hat wenig Aussicht auf Erfolg. Bisherige Kosten für die Stadtkasse: 390.000 €.
Ein NoGo: die Steuer wird trotz Rechtslage und Inflation nicht ausgesetzt. Ist das sozial und ökologisch?
Belastet sind Leute ohne dicken Geldbeutel: Schülerinnen, Studierende, Handwerker, die sich ein warmes LKW-Brötchen oder Falafel im Tütchen kaufen und ihren Müll ordentlich entsorgen.
Belastet werden Bäcker, Metzger und Gastronomie. Leider wird auch kein Unterschied gemacht zwischen Plastik und biologisch abbaubaren Verpackungen.
Und: warum bleibt der SUV-Fahrer am Mc-Drive-In-Schalter befreit? Ich als radelnde Oma muss zahlen, wenn ich dem Enkel eine Pommes mitbringe. Was bleibt: viel Medienwirbel im OB-Wahlkampf.